CHINA 2002

=========================================

15.09.02. Sonntag: Heute ist der Tag des Abfluges nach China. Jörg bringt uns zum Flughafen. Wir fliegen abends von Frankfurt los und werden, gegen die Sonne fliegend, eine kurze Nacht haben.

Eine Randbemerkung: Interessant, dass es auch je einen Golfplatz in Peking und Shanghai gibt. Aber ich glaube, alles wird zeitlich so eng werden, dass ich keine Gelegenheit haben werde, auch nur mal zu gucken. Denn für einen Freund „soll“ ich Golfbälle mit chinesischem Logo mitbringen!

=========================================

16.09.02. Montag: Um 10:15 Uhr sind wir im Hotel TIANHONG PLAZA in BEIJING (Peking) und haben einen ersten Eindruck gewonnen. Die ganzen Bauten im Flughafen haben Weltstadtniveau. Die Immigration ist wie in den USA. Der Transfer im Bus durch die 12-Millionen-Stadt macht einen gewaltigen Eindruck auf mich. Ich habe Ostberlin erwartet und sehe Amerika, breite Strassen, moderne Banken, Hotels und jede Menge Hochhäuser im modernsten Stil. Im Hotel ist alles vom Feinsten, europäischer 4-Sterne-Standard. In den Zimmern ist der Kanal Deutsche Welle TV verfügbar; es gibt Morgenmäntel, Hauslatschen, Zahnbürste, Rasierer, Föhn und ein extrem sauberes Bad. Beim ersten Mittagessen (in einem anderen Hotel, RAINBOW BEIJING) esse ich gleich zur Belustigung der Bedienung mit Stäbchen. Es geht auf Anhieb ganz gut. Am Nachmittag besuchen wir den HIMMELS-TEMPEL-PLATZ. Es sind dort natürlich viele Touristengruppen anzutreffen. Bei einer Attraktion, wo man nur durch die Tür hineinsehen darf, und wo sich davor eine Schlange gebildet hat, kommen plötzlich 5 uniformierte und 5 zivile Polizisten anmarschiert und schaffen ziemlich rüde Platz für eine Delegation (offensichtlich aus Schwarzafrika) damit diese schnell und ungestört ins dunkle historische Gemach schauen darf. Ich greife vor: Diese Episode sollte in den ganzen 15 Tagen eine Ausnahme bleiben. Bei vielen historischen Bauten kommt der Zahl 9 eine besondere Bedeutung zu: Weil sie ungerade ist, ist sie männlich (!) und ist die größte einstellige Zahl. Viele Treppen haben neun Stufen bis zum Absatz. Abends sind wir in einem Supermarkt und decken uns mit ein paar Kleinigkeiten ein. Der uniformierte (unbewaffnete) Sicherheitsmann sprich kein Englisch – so wie niemand vom Personal. Mein kleiner LANGENSCHEID hat sich das erste Mal bewährt. Man sucht das deutsche Wort und zeigt dem Chinesen die komischen Minischriftzeichen, die dahinter stehen, und schon klappt es. Das Wort DANKE wissen wir natürlich auch schon: XEE-XEE (Zunge an den Gaumen legen und das XEE wie die ersten 5 Buchstaben von Tschechei sprechen – nur mit einem sehr langen E).

Noch ein Hinweis für diejenigen, die auch diese Reise machen wollen: Unsere Reisegruppe von 120 Personen wird schon seit Frankfurt permanent von einem kompetenten deutschen Reiseleiter, dem Ernst, begleitet. Bei Touren teilt sich die Gruppe in 3 Busse auf. Jedem Bus ist mindestens ein chinesischer Dolmetscher zugeordnet, der seine „Schäfchen“ zusammen hält und ständig zählt, dass keiner verloren geht. Wenn man sich für eine Busnummer entschieden hat, sollte man sie für den Rest der Reise beibehalten. Der Ernst ist natürlich an keinen Bus „gebunden“ und ist der Problemlöser im Hintergrund. Der wesentliche Kontakt baut sich aber zu dem Dolmetscher auf, der ständig über Bus-Mikrofon Erklärungen gibt. Je nach Qualität der Busse, ist auch die Lautsprecheranlage sehr unterschiedlich. Darum sind die vorderen Plätze immer sehr begehrt.

=========================================

17.09.02. Dienstag: Heute Vormittag besichtigen wir außerhalb von BEIJING (es heißt Nördliche Hauptstadt) die Gräber der MING Dynastie und laufen den einen Kilometer durch die HEILIGE ALLEE. Nachmittags fahren wir zur Chinesischen Mauer, weil nachmittags dort angeblich weniger Betrieb sein soll. Die Mauer ist an dem Teil, den wir begehen, sehr steil. Treppenstufen im goldenen Schnitt kannten die Chinesen früher nicht. Abends stürzen wir uns in das Nachtleben der Stadt, die eine Weltstadt von unglaublicher Größe ist und einen beachtlichen Fortschritt vorweisen kann, der mit Miami, Las Vegas und New York konkurrieren will. Von Kommunismus ist weiterhin wenig zu spüren. Alles in allem: Hut ab, was die Leute hier auf die Beine gestellt haben. BEIJING hat eine Nordsüdausdehnung von 160 und eine Ostwestausdehnung von 140 km. Es gibt 1 Million Autos und 12 Millionen Fahrräder, wobei die ersteren ein absolutes Chaos veranstalten; es wird sehr rüde gefahren. Wir sehen ca. 200 Leute in einem öffentlichen Park tanzen, einige spielen dort Karten, Schach oder  MEJONG (oder es heißt so ähnlich). In der Innenstadt sehen wir auf ca. 500 m Länge vielleicht 100 kleine Garküchen, die u.a. Seidenraupen, gebratene Spatzen, Frösche, Skorpione und Grillen zum Verzehr anbieten. An den Souvenirläden (wir sagen dazu Hallo-Läden), die es überall in großer Zahl gibt, sollte man nicht mehr als ein Drittel des geforderten Preises zahlen. Ich selbst biete immer nur noch ein Viertel des Kaufpreises an. Das Essen mit Stäbchen ist heute am zweiten Tag fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden.     

=========================================

18.09.02. Mittwoch: Heute steht uns wieder ein ereignisreicher Tag in BEIJING bevor. Früh besuchen wir den KAISER-PALAST, der auch „Verbotene Stadt“ heißt und der fast eine Ausdehnung von einem Quadratkilometer hat. Über dem Vordereingang (vom Platz des Himmlischen Friedens her) ist immer noch ein riesiges MAO-BILD angebracht, obwohl ganz offen von den Dolmetschern gesagt wird, dass er in der Gesellschaft nicht mehr so wie früher verehrt wird. Ein anderer Dolmetscher sagte mal bei anderer Gelegenheit: Mao habe 10 Jahre Chaos über das Land gebracht. Es ist schon beeindruckend, was die Leute vor 600 Jahren erbaut haben, z.B. alle Holzkonstruktionen sind ohne Nägel. Unser Führer Roland – sein chinesischer Name sei für uns zu kompliziert – erzählt uns die ganze Geschichte der Kaiser in aller Kürze. Welche waren dumm, welche waren schlau oder klug, aber fast alle unendlich grausam gegen ihr Volk und ihre Nächsten: Brüder und Konkubinen wurden reihenweise vergiftet. Im inneren Zirkel der „Verbotenen Stadt“ durften sich neben dem Kaiser nur Konkubinen und Eunuchen aufhalten. Die gesamte „Verbotene Stadt“ wird von einer steilen Stadtmauer umgeben, die unmittelbar davor einen 50 m (!) breiten Wassergraben hat. Sie war damals fast uneinnehmbar. Trotzdem ist regelmäßig jeder vierte Kaiser (die drei bis fünf Generationen nennt man Dynastien) durch Bauernaufstände davongejagt worden. Der jeweilige Anführer (einmal war es auch ein einfacher Bauer) hat sich dann als neuen Kaiser eingesetzt und spätestens mit seinen Söhnen begann die Ausbeutung und Grausamkeit aufs Neue. Am hinteren Ausgang des Kaiserpalastes befindet sich der KOHLENHÜGEL, von dem wir einen großartigen Überblick über den ganzen historischen Stadtbezirk gewinnen.  Das Mittagessen nehmen wir direkt vis-à-vis vom MAO-MAUSOLEUM ein. Hier sehe ich praktisch die ersten mit Pistolen bewaffneten Polizisten, die auch ein wachsames Auge auf die zahlreichen Passanten werfen. Während des Essens sehen wir auch unseren „Heimatfilm“ von den letzten beiden Tagen. Eine junge, hübsche Kamerafrau hat unsere Gruppe begleitet gehabt. Wir erwerben das Video für 25 Euro (das Wort Euro geht den Chinesen leichter über die Lippen als uns) und da sind nicht nur die PETERS drauf, sondern auch die Sehenswürdigkeiten. Nachmittags bummeln wir noch alleine (frei) auf dem belebten Platz des Himmlischen Friedens. Es ist der größte Platz der Welt mit einem Fassungsvermögen von 1 Million Menschen.  Später hören wir von Mitreisenden, dass dort eine Frau irgendein Mahnmal „besteigen“ wollte und dass dann die Polizei eingegriffen hätte. Am Abend fliegen wir dann 2 Stunden nach Südwesten in die Stadt XIAN. Es wird ausgesprochen, als wenn der Skilehrer befiehlt: „Ski an!“ – die Stadt hat nur 7,5 Millionen Einwohner; das Hotel ist noch besser als in Peking, aber der Straßenverkehr noch chaotischer. Ich könnte hier nicht Autofahren! Um 17:30 Uhr im Flieger (CHINA NORTHWEST AIRLINE) haben wir ein schönes, großes Lunchpaket erhalten, das wir abends im Hotel verzehren. Wir wollen ja nicht zunehmen! Der hiesige Dolmetscher spricht noch besser Deutsch als Roland.

=========================================

19.09.02. Donnerstag: Morgens besichtigen wir die WILDGÄNSE-PAGODE – noch mit richtigen lebenden Mönchen. Dann fahren wir mit dem Bus ca. 50 km aus der Stadt raus, essen dort zu Mittag (mir schmeckt es, Brigitte nicht, weil alles, einschließlich Salat, zu süß ist) und dann sind es nur noch wenige Kilometer bis zur TERRA-COTTA-ARMEE. Es verteilt sich über 3 bis 4 mehr als fußballfeldgroße, massive, solide Hallen. In der ersten ist die eigentliche große Armee zu sehen. Es ist fotografieren verboten, aber jeder fotografiert. Man kann das Ganze mit Fug und Recht als 8. Weltwunder bezeichnen, und ich bin schwer beeindruckt. Vor den Eingängen von Sightseeing Punkten stehen Hunderte von – wir sagen - Hallo-Läden. Fliegende Händler und Souvenirlädchen verkaufen allen Kram, den man nicht brauchen kann und der später nur herumsteht. „Hallo – ONE DOLLAR“ wird unser geflügeltes Wort sein und wird uns die ganze Reise über begleiten. Manchmal ist noch ein Viertel des ursprünglichen Preises zu viel. Und man sollte nie mit großen Scheinen bezahlen; die Gefahr besteht, dass man Falschgeld zurückbekommt. Auf der Bus-hin- und –rückfahrt zur Armee sehen wir bei Tageslicht auch einiges von China jenseits der Metropolen. Oh ha, es sieht noch vieles aus, wie Moskau 1970 – teilweise noch schlimmer. Zur Rushhour kommen wir zurück nach XIAN. Der Dolmetscher sagt, es herrschen hier in XIAN die eigenen Verkehrsregeln, Ampeln und Zebrastreifen seinen nur zur Dekoration. Jeder fährt nach dem Motto: Zuerst ich. Bei Einfädelungen zählt nicht, wer Vorfahrt hat, sondern der hat Recht, der eine Reifenbreite voraus ist. Und die Hupe (unser Dolmetscher sagte, das Hupen sei in XIAN verboten! Er hatte damit die Lacher auf seiner Seite) ist das wichtigste am Auto oder Kraftrad. Selbst bei fließendem Verkehr wird links und rechts mit Hupkonzert überholt. Chaos. Dass da nicht mehr Unfälle passieren, ist mir ein Rätsel. 

=========================================

20.09.02. Freitag: Heute morgen fahren wir bei strömendem Regen (es wird glücklicherweise der erste und letzte Tag auf unserer ganzen Reise mit Regen sein) zur Stadtmauer von XIAN. Sie ist noch zu 90% erhalten und zig Kilometer lang, 15 m hoch wie breit. Sie ist oben befahrbar und bei schönem Wetter hätte man dort in luftiger Höhe eine Rikschafahrt machen können.  Ein enormes Bauwerk. Danach sehen wir uns den STEHLEN-WALD an; das sind alte Schriften in Stein oder Marmor gemeißelt. Der Dolmetscher antwortet auf meine diesbezügliche Frage, dass er nur ca. 50% verstehen bzw. lesen könne. Das sei eben historisches Chinesisch. Anschließend genießen wir in einem großen „Theater“ ein Mittagsbüfett, das wirkt sehr gut ist, praktisch das zweite sehr gute Essen nach unserem Empfangsessen in BEIJING. Am Nachmittag besuchen wir in der Altstadt eine Moschee; es wird gerade durch den Vorbeter das Freitagsgebet (über Lautsprecher nach außen) gesprochen. Die Gebetshalle ist von Männern (auf Socken) bis auf den letzten freien Flecken belegt. Bis 17:00 Uhr haben wir dann freien „Auslauf“ in der Stadt, weil dann die Fahrt zum Flughafen ansteht. Dank meiner „militärischen Ausbildung“ finden wir trotz der vielen verwinkelten Gässchen unseren geparkten Bus. Zwei ältere Ehepaare (über 60! So alt!) kommen ziemlich verschwitzt 15 Minuten zu spät – sie hatten sich verlaufen. Das Abendessen direkt in einem Hotel vor dem Flughafengebäude veranlasst einige Gäste zu der Bemerkung, dass ihnen schon das chinesische Essen zum Halse heraushinge. Mein Kommentar: Es ist nicht toll, aber nicht ekelig – nur sehr einfach, wenig Fleisch. Im Flughafengebäude (es ist inzwischen 19:00 Uhr) geht es chaotisch zu. Man rätselt, wann und an welchem GATE der Flieger abgehen soll. Die Bildschirmanzeigen sind zwar auch auf Englisch, aber man hat den Eindruck, dass das Wort Information kleingeschrieben wird. Schließlich um 21:00 Uhr (90 Minuten zu spät) hebt unser Flieger (es sind alles AIRBUSSE hier – das ist das einzig beruhigende) in Richtung CHONGQING ab. Nach gut einer Flugstunde kommen wir in der Stadt an, in der wir aufs Schiff gehen.

CHONGQING ist mit 40 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. Was und wie in dieser Stadt gebaut wird, ist ein Wahnsinn. Tausende von Hochhäusern – 20, 30 und 40 Stockwerke – kolossal. Und noch eine Menge in Bau – auch nachts unter Scheinwerferlicht. Unser Dolmetscher sagt, und wir haben es auch schon in XIAN und BEIJING gesehen, im Hoch- und –tiefbau wird grundsätzlich 24 Sunden gearbeitet.  

Um Mitternacht erreichen wir im Stadtzentrum den Jangtse und die YELLOW CRANE, die für weitere elf Tage unsere Heimat sein wird. Endlich können wir mal die Koffer auspacken. Die Kabinen sind sauber und relativ geräumig, obwohl der Standard (Baujahr 1997 bezweifele ich) auch schon etwas in die Jahre gekommen ist. Die Dusche ist nur ganz dezent zu benutzen, um das Schiff nicht untergehen zu lassen. Um 2:00 Uhr nachts legt der „Gelbe Kranich“ ab und schwimmt flussabwärts in Richtung SHANGHAI – es werden 2400 Kilometer auf diesem Fluss sein. In vielerlei Hinsicht ist es gut, dass wir bei TRANSOCEAN TOURS (aus Bremen) die Variante flussabwärts gewählt haben, u.a. sind die Maschinengeräusche geringer. Auch hat man sich schon mit einigen Gästen im Bus in den letzten Tagen angefreundet und man konnte eine feste Tischordnung mit vernünftigen, netten Leuten (immer 10 Personen) zusammenstellen.

Eine Randbemerkung: Gleich östlich von CHONGQING beginnt praktisch die geplante Aufstauung des Jangtse-Flusses. Das Jahr 2002 ist das letzte Jahr, in dem noch die Berge und Schluchten des Jangtse-Flusses in ihrer alten Schönheit bewundert werden können. Danach beginnt man, den Fluss 175 Höhenmeter aufzustauen. Das ist auch der Hauptgrund für unsere diesjährige Reise gewesen.               

=========================================

21.09.02. Samstag: Nach einer kurzen Nacht und nach einer relativ kurzen Fahrstrecke legen wir in SHIBAOZHAI an, das auf unserer guten Landkarte nur mit größter Not zu finden ist. Dort wird eine Pagode besichtigt. Doch noch mal zurück zum Schiff: Das Schlafen bei den leichten Schaukelbewegungen ist etwas gewöhnungsbedürftig, obwohl die YELLOW CRANE für den JANGTZEKIAN bei 91 Metern Länge und 16 Metern Breite, 120 Passagieren und 120 Besatzungsmitgliedern, recht groß ist. Das erste Frühstück ist sehr gut an Bord gewesen. Wir sind Happy, dass von Seiten der Verpflegung her die  Welt in Ordnung ist. Durch das verspätete Abfliegen in XIAN sind wir in unserem Reiseplan 2 Stunden hinten dran. Das erscheint bei der vor uns liegenden Kilometerzahl lächerlich, aber wir sollten heute noch bei Tageslicht die erste der drei berühmten „Großen Schluchten“ passieren – eine der  Hauptattraktionen unserer Reise. Nach dem Ablegen in SHIBAOZHAI (gegen 13:00 Uhr) geht es mit Volldampf flussabwärts weiter. Im Nachtclub (an Bord) sehen und hören wir einen bebilderten Vortrag über den weiteren geplanten Ablauf unserer Reise. Zwischen Kapitänsempfang und Dinner passieren wir (leider schon bei Dunkelheit) die erste Schlucht, die QUTANG-SCHLUCHT. Von der Brücke werden zwar mit Scheinwerferlicht die jetzt sehr nahen Berge beleuchtet, aber man kann die Schönheit der Landschaft nur ahnen. Nach dem Dinner, was zu unserer großen Freude exzellent gewesen ist, legen wir in WUSHAN an. Im Nachtclub gibt es eine Show, die von unserer Besatzung gestaltet wird. Chinesische Tänze von den einzelnen Volksgruppen. Sehr gut gemacht. Na ja, bei den hübschen Mädchen muss es ja gut wirken. Beim Zubettgehen freuen wir uns, dass wir festgemacht haben, denn dann schaukelt das Schiff nicht. Mit unserem Fernseher in der Kabine bekommen wir auch 24 Stunden am Tag die Deutsche Welle (TV). Zu jeder ungerade Stunde kommt eine Art Tagesschau in deutscher Sprache. 

=========================================

22.09.02. Sonntag: Heute stehen wir früh auf (8:00 Uhr Frühstück), denn es steht eine Bootsfahrt in die drei „Kleinen Schluchten“ auf dem Programm. Die „Kleinen Schluchten“ befinden sich in einem Nebenfluss des Jangtse. Die mit zwei starken Motoren ausgestatteten Boote, die mich an Sturmboote bei der Normandie-Invasion erinnern, haben ein Fassungsvermögen von ca. 30 Personen. Die Fahrt ist sehr abenteuerlich, um es milde auszudrücken. Der deutsche TÜV hätte zumindest uns verpflichtet, Schwimmwesten anzulegen. Wie stark die Strömung ist, zeigt die Angabe, dass wir für die 30 Kilometer Bergfahrt 3 und für die Talfahrt nur 1 Stunde benötigen werden. So mancher Spritzer kommt ins Boot. Ein Gast ist total nass geworden. Schon in der ersten Großen Schlucht und auch hier in den drei Kleinen Schluchten ist mir aufgefallen, dass alle fünf Kilometer oben auf den Bergen links und rechts des Flusses riesige Markierungstafeln angebracht sind. Auf der unteren steht „135 m“ und auf der oberen „175 m“. Sie markieren für den Bürger die Wasserlinien, die 2003 und 2009 erreicht werden sollen, wenn der große Staudamm fertig ist, der über 200 Kilometer den Jangtse (mit seinen Nebenflüssen) aufstauen soll. Zig-Tausend alte Häuser unter diesen Marken sind schon leer, verfallen bzw. im Abriss befindlich (es sind 1500 Dörfer und 13 Städte betroffen), und über diesen Tafeln sieht man riesige Wohnblocks (wie Geisterstädte) für die vom künstlichen Hochwasser vertriebenen Leute. Die Hochhäuser sehen wie Fremdkörper in der vorher herrlichen Bergwelt aus. Die 26 Turbinen des Wasserkraftwerkes werden 2009 ca. 23 Kohle- oder Atomkraftwerke ersetzen. Zu Mittag sind wir wieder an Bord, und es geht – wir sitzen windgeschützt auf dem Sonnendeck – bei herrlichem Sonnenschein durch die zwei restlichen Großen Schluchten. Nach der WU-SCHLUCHT kam gegen 18:30 Uhr die XILING-SCHLUCHT; östlich davon kommt dann der riesige Staudamm, den wir noch bei einbrechender Dämmerung (mit Bewunderung?) sehen können. Er ist schon zu 40% fertig und sieht mit seiner Breite von 2,4 Kilometern schon gewaltig aus. Im Nachtclub werden uns in einem Vortrag von Herrn WANG, unserem Hauptdolmetscher, der uns auch im Bus 1 betreut, nähere Informationen über den Staudamm gegeben. Er sprach offen alle Vor- und Nachteile an, die er von seiner Seite (er ist Angestellter beim staatlichen, chinesischem Reiseunternehmen) sieht. Auf fast alle Fragen von Seiten der Gäste hatte er eine Antwort. Nur auf die Frage nach einer „Umweltbelastungsbilanz“ musste er lächelnd passen. Unmittelbar östlich des Staudamms in YANGJIAWAN machen wir fest. An Land dürfen wir nicht gehen, weil der Staudamms militärisches Sperrgebiet ist. Ich greife vor: Das hier wird auch das einzige Mal bleiben, wo man uns in China in unserem Bewegungsspielraum einschränkt. Um 24:00 Uhr, es ist 18:00 Uhr deutscher Zeit, sehen wir im DW-TV die erste Prognose und die ersten Hochrechnungen. Mit dem Ergebnis, dass Schröder bleibt, gehen wir zu Bett und wünschen uns: „Gute Nacht!“        

=========================================

23.09.02. Montag: Um 9:00 Uhr geht es mit dem Bus auf die größte Baustelle der Welt. Eine von den 26 Turbinen (die ersten drei werden von Deutschland bezogen) wiegt alleine 600 Tonnen. Ein normaler Arbeiter auf der Baustelle verdient ca. 1000 YUAN, das sind 125 Euro. Eine Durchfahrt durch die 5 nacheinander geschalteten Schleusen (jede hebt um ca. 35 Meter) dauert ca. 2,5 Stunden. Das Informationscenter auf der Baustelle ist sehr großzügig ausgelegt. Nach dem Mittagessen stechen wir wieder in „See“. Wir verbringen bei herrlichem Sonnenschein 3 Stunden auf dem Sonnendeck und betrachten die Landschaft, die jetzt allmählich flacher wird. Wir passieren die Schleuse von GEZHOUBA. Um 16:00 Uhr hören wir uns einen Vortrag über chinesische Malerei und Schriftzeichen (im Nachtclub) an und um 17:00 Uhr besuchen wir den Sprachkurs im Cafe des Schiffes. Das ist sehr interessant, und wir lernen wieder eine Menge Wörter hinzu. Auf lange Sicht wird man sich wohl nur die beiden Wörter DANKE und GUTEN TAG einprägen: Letzteres wird NIE-HAU gesprochen. Ich habe jetzt schon zwei Nächte sehr gut geschlafen. Zum einen liegt es daran, dass der riesige Muskelkater vom Besteigen der Chinesischen Mauer in BEIJING allmählich abgeklungen ist und zum anderen an der geringeren Fließgeschwindigkeit des Jangtse und dadurch das Schiff bei nächtlicher Fahrt ruhiger im Wasser liegt.        

=========================================

24.09.02. Dienstag: Heute morgen kommen wir genau um 7:00 Uhr in YUEYANG an, und wir besichtigen einen historischen Turm, der nur deswegen von den Roten Garden von der Zerstörung verschont worden war, weil die alten Inschriften an den Wänden eine ähnliche Handschrift wie die von Mao aufwiesen. Wir besuchen auch einen Fischmarkt. Oh, oh, die Verhältnisse dort kann man natürlich nicht mit deutschem Maßstab vergleichen. Ein übler Gestank und Dreck ohne Ende. Kauft dort unser Schiffskoch auch ein? Direkt danach geht es wieder auf große Fahrt nach WUHAN, wo wir am Abend eintreffen. Nach dem Abendessen an Bord unternehmen wir eine Busfahrt durch WUHAN, das fast das Niveau von Peking hat. Wir sehen bombastische Banken, Geschäftshäuser, Hotels und Kaufhäuser, die westlicher als westlich sind. Alles ist phantastisch beleuchtet. Alle architektonisch interessanten Bauten werden mit verschiedenfarbigen Scheinwerfern beleuchtet. Was das an Strom kostet! Das Verkehrsproblem in den zu engen Strassen hat man durch doppelstöckige Strassen und Kreuzungen (!) gelöst. Enorm. Elektrobusse fahren hier, es gibt eine U-Bahn und man sieht hier nur noch wenige Fahrräder. Man glaubt es nicht, im dicksten China zu sein, denn hier in WUHAN ist genau die Mitte des Reichs der Mitte! Unser Guide klärt uns dann auf: WUHAN hat viel Industrie, auch Schwerindustrie, u.a. ein Automobilwerk von CITROEN, ein Werk von Liebherr und andere bedeutende Weltmarken. Das Handy ist hier genauso verbreitet wie in Frankfurt. Man sieht kaum Bettler oder Straßenhändler. Der Dolmetscher erklärt, dass viele Chinesen aus HONGKONG, SINGAPORE und TAIWAN hier investiert haben. Im nördlichen Stadtteil besuchen wir einen öffentlichen Park mit einem großen See. Dort kann man mit lustigen Wassersportgeräten fahren, es gibt jede Menge Turngeräte, die auch genutzt werden. Es gibt fünf oder sechs Tanzflächen, auf denen jeder mit jedem nach verschiedenen Melodien tanzt. Dann fahren wir über die Jangtse-Brücke nach „Südchina“, wo wir wieder im Zentrum aussteigen und auf einer großen, als Park ausgelegten, Straßeninsel phantastische Wasserspiele – synchron arbeitende Fontänen – herrlich beleuchtet zu Klassischer Musik (Nussknacker Suite) bewundern. Alles kostenlos für jedermann. Gegen 22:30 Uhr sind wir zurück auf unserem Schiff.

Noch ein Nachtrag: In XIAN hat sich Brigitte im Regen erkältet -  jetzt hat es mich auch voll erwischt. Glücklicherweise kann man in der Boutique des Schiffes „einheimische“ Tempotaschentücher kaufen.           

=========================================

25.09.02. Mittwoch: Heute unternehmen wir bei Tageslicht eine Ganztagsbesichtigung der Stadt WUHAN. Wir besichtigen ein Museum, das einen angeschlossenen Konzertsaal hat. Dort spielt eine Gruppe junger Musiker in historischen Trachten und auf alten Instrumenten chinesische Musik. Attraktion ist ein riesiges Glockenspiel (Nachbau) aus der Zeit vor Christus, das von mehreren Musikern bedient wird. Ganz toll gemacht. Anschließend steigen wir auf den YELLOW CRANE TOWER, dem Namensvetter unseres Schiffes. Von dem Turm schieße ich tolle Bilder. Hoffentlich sind sie was geworden. Nach dem Mittagessen in einem Hotel haben wir ein paar Stunden zur eigenen freien Verfügung. Wir bummeln durch die Altstadt. Brigitte sagt immer nur: „Oh Gott, oh Gott, was für ein Dreck!“ Ich freue mich darüber, dass die Menschen die Freie Marktwirtschaft haben.  Jeder kann auf seine Weise Geschäfte machen, und wenn es nur Schuhe putzen oder Fahrradreparatur ist. Noch einmal ganz deutlich: So westlich, so kapitalistisch habe ich mir China nicht vorgestellt. Von Politik, von Mao oder vom Kommunismus sieht und hört man verschwindend wenig.       

=========================================

26.09.02. Donnerstag: Pünktlich beim Frühstück legen wir in JIUJIANG an. Wir machen einen ganztägigen Ausflug in die berühmten LUSHAN-BERGE mit einer Höhe von rund 1000 m. Warme Kleidung ist angesagt, obwohl wir uns hier auf dem 28. Breitenkreis befinden. Das ist bezogen auf unsere Region ungefähr KAIRO. Diese Berge werden auch Nebelberge genannt, weil sie an 200 Tagen im Jahr im Nebel liegen. Wir haben aber Glück; es scheint die Sonne. Hier wird auch der weltbekannte Nebeltee angebaut. Neben einer 1-stündigen Bergwanderung zollen wir auch unserem Gastgeberland Tribut: Wir besuchen für 15 Minuten das Mao-Museum. Es ist früher seine Sommerresidenz gewesen. Absoluter Höhepunkt für mich ist das Aufsuchen des öffentlichen Toilette in Maos Haus. Dieser Punkt muss einfach auch einmal angesprochen werden. Erstens muss ich für das „kleine Geschäft“ noch einen YUAN bezahlen und zweitens ist alles trotz Klofrau so dreckig, wie ich es noch nirgends wo gesehen habe – selbst auf Kreta nicht. Ich fasse den Türgriff und den Wasserhahn (der vor Rost nicht aufzudrehen geht) nur mittels Tempotaschentücher an. Draußen im Gras trete ich meine Turnschuhe ab, bis sie wieder normale Gerüche angenommen haben. Und das alles im Mao-Museum! 

=========================================

27.09.02. Freitag: Heute kommen wir während des Frühstücks in NANJING an. Mir selbst geht es schon viel besser. Meine Kopfschmerzen von der Erkältung sind weg. NANJING ist die Heimatstadt unseres Dolmetschers WANG. Dass er die Stadt als schönste Chinas bezeichnet, ist also kein Wunder. In der Tat muss man sagen, dass sie bezüglich Modernität und Sauberkeit mit BEIJING (Peking) mithalten kann. WANG erzählt uns auch viel von seinem persönlichen Werdegang: Er sei der DDR dankbar, dass er dort von 1987-1990 im Wagonwerk BAUTZEN 4000 Ostmark sparen konnte. Er sei Westdeutschland dankbar, dass er das Geld am 1.7.90 in DM 1:1 umtauschen konnte. Als er Ende 1990 mit der Bahn nach China zurückgereist sei, sei er ein reicher Mann gewesen und konnte trotz seiner nur 1,67 m (für die chinesische Frau fange der Mann ist mit 1,70 m an) eine Frau finden und mit seinem Vermögen die Hochzeitsfeier ausrichten. Er habe jetzt einen 11-jährigen Sohn, der nach deutscher Rechnung erst 10 sei. Die neun Monate im Bauch der Mutter zählen bei der Altersangabe als 1 Jahr. In NANJING besuchen wir als erstes das Mausoleum des Dr. SUN-YAT-SEN, der mir bisher vollkommen unbekannt gewesen ist. Er hat aber für das moderne China mehr getan, als jeder andere in den letzten 100 Jahren. Er hat als Arzt der westlichen Medizin in HONGKONG studiert und hat erst im 10. Versuch (Anfang des 20. Jahrhunderts) den Kaiser gestürzt und die Republik ausgerufen. Erst am 1.10.1949 hat dann Mao die Volkrepublik gegründet. WANG hat den heutigen sogenannten Kommunismus in China mit folgendem Witz erläutern versucht: Es gibt da eine Wegegabelung, wo es nach rechts zum Kapitalismus und links zum Kommunismus geht. CLINTON kommt mit seinem Auto an und biegt gemütlich nach rechts ab. JELZIN hält mit seinem Auto an und studiert ausgiebig die beiden Wegeschilder und entscheidet sich nach langem Überlegen, nach rechts langsam abzubiegen. DENG-XIAO-PING kommt mit seinem Audi A6 angerast, setzt den Blinker nach links und fährt mit hoher Geschwindigkeit rechts rum. Dieser Witz besagt alles. Er spiegelt auch genau meine hier gewonnenen Eindrücke wider. Nach dem Mittagessen bummeln wir ohne Dolmetscher durch die Altstadt, die 1984 wieder sehr schön aufgebaut worden ist, nach dem sie im letzten Krieg von den Japanern zerbombt worden war. Auf die Japaner sind die Chinesen noch heute nicht gut zu sprechen; bei jeder Gelegenheit wird über sie gefrotzelt – auch die jungen Chinesen tun das. 1937 sind in NANJING 300.000 Zivilisten von den Japanern umgebracht worden. Der Stachel sitzt tief in dieser Stadt. Und was ich auch nicht gewusst habe: Ein Deutscher namens JOSEF RAABE von der Firma SIEMENS hat 1937 in einer neutralen Zone allein 200.000 Chinesen vor dem Tod bewahrt. Er sei der Schindler von NANJING gewesen, so die Worte unseres Dolmetschers. Heute ist SIEMENS auch noch da, aber die Kooperation mit BASF sei viel bedeutender, mehr noch als VW und Audi, obwohl im Straßenbild zu einem Drittel die beiden deutschen Marken (MADE IN CHINA) dominieren. In NANJING besichtigen wir auch noch die erste Jangtse-Brücke, die ca. 1968 vollkommen alleine von den Chinesen gebaut worden ist. Bei uns würde man fragen: Na und? Man muss aber wissen, dass die Russen mit der Planung und den ersten Probebauten im 15 m tiefen Schlamm des Flussbettes gescheitert sind – ganz abgesehen von der Gesamtlänge der Brücke von 6,7 Kilometern,  die in zwei Ebenen gebaut ist: Strasse und Eisenbahntrasse. Nach dem Abendessen an Bord fahren noch einmal per Bus durch die beleuchtete Stadt, die 5,6 Millionen Einwohner hat. Gewaltig, was die Chinesen in Sachen Stadtbeleuchtung ´drauf haben – Las Vegas ist nichts dagegen. Ich bin gespannt, ob SHANGHAI da noch eine Steigerung bringt. Die Stadtrundfahrt bei Nacht verbinden wir mit einem Konzertbesuch, bei dem uns chinesische Volksmusik auf historischen Instrumenten dargeboten wird. Das war sehr eindrucksvoll – nur etwas zu kurz mit knapp einer Stunde. Aber die Musik war auch für westliche Ohren recht melodisch und keineswegs atonal wie z.B. eine Pekingoper. Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Menschen im Laufe unserer Flussfahrt in Richtung Pazifik zunehmend wohlhabender geworden sind. Unser Dolmetscher erklärt es so, dass den Menschen am Unterlauf des Jangtse besser geht als anderswo: Die Böden sind sehr fruchtbar und damit die landwirtschaftlichen Erträge bei zwei Ernten im Jahr besser. 

=========================================

28.09.02. Samstag: Vor dem Frühstück legen wir in YANGZHOU an, wo uns wieder ein Tagesausflug erwartet. Der Name spricht sich JANG-SCHAU. Sie hat nur ca. 1 Million Einwohner, und sie ist mit Abstand die schönste Stadt, die wir bisher in China gesehen haben: Sehr viele Grünanlagen, sehr viele Gärten und viele Bäume. Man wird an PLANTEN UND BLOMEN (in Hamburg) von der Anlage her erinnert oder auch an den Spreewald – hier natürlich mit der typischen südostasiatischen Vegetation. Auf einen herrlichen langgestreckten See, dem WESTPARK-SEE machen wir eine Bootsfahrt; gerudert werden wir von einer hübschen, jungen Chinesin. Nach dem Essen besuchen wir noch einen Buddha-Tempel, den DAMING-TEMPEL, wiederum in einem malerischen Park mit See. Am Nachmittag legen wir wieder ab, und ich nehme die Gelegenheit war, beim Kapitän auf der Brücke zu sein. Als die Sicherheit zur Sprache kommt, frage ich, warum wir zu Beginn der Reise keine Sicherheitsübung an Bord hatten. Es wird scherzhaft geantwortet, dass der Kapitän seit 40 Jahren keinen Unfall gehabt habe und dass darüber hinaus die Deutschen so intelligent seien und wüssten, wo die Schwimmwesten zu finden seien. Wenn ich mich zurückerinnere: Auch die Bootsfahrt in den drei Kleinen Schluchten auf den „Sturmbooten“ war ohne Schwimmwesten extrem gefährlich. 

 =========================================

29.09.02. Sonntag: Heute früh im Morgennebel erreichen wir das kilometerbreite Jangtse-Delta und um 9:00 Uhr legen wir in SHANGHAI an. SHANGHAI ist erdrückend mit seinen 16 Millionen Menschen und gewaltig groß mit einem Meer von Hochhäusern. In der Innenstadt ist es trotz Sonnenscheins sehr staubig und stickig. An historischen Attraktionen besichtigen wir einen 400 Jahre alten Park, den YU-GARTEN. Ansonsten ist Shopping angesagt. Im Straßenbild sieht man ca. 80% deutsche Autos chinesischer Produktion. Davon sind ca. 66% VW, 10% Audi und 4% Mercedes und BMW.  Geschäfte (90% sind in privater Hand) sind in ganz China an 7 Tagen geöffnet – viele bis 22:00 Uhr. SHANGHAI hat 54 McDonalds (die anderen amerikanischen Fastfood Ketten kommen noch dazu, wie BURGER KING und KFC) und hat 21000 Baustellen, wobei auf jeder 24 Stunden gearbeitet wird – und man sieht auch, dass sich auf jeder was tut. Abends erleben wir SHANGHAI bei Nacht per Busfahrt. Eine kilometerlange Fußgängerzone sieht wirklich aus wie Las Vegas. Viele junge Leute, alle gut gekleidet, jeder fünfte mit Handy am Ohr, ein Wahnsinn. Ist das ROT-CHINA? 

=========================================

30.09.02. Montag: Morgens nach dem Frühstück auf der YELLOW CRANE, die wir so richtig lieb gewonnen haben, heißt es Abschied nehmen. Was bleibt von der Reise? Jeder – auch ich in den letzten drei Tagen – hat seine Probleme im Magen-Darm-Trakt gehabt. Ich weiß auch nicht, was der Auslöser gewesen ist. Vielleicht ist es doch das nicht keimfreie Wasser beim Zähneputzen oder irgendein schlechtes Fett beim Auswärtsessen. Man weiß es nicht. Zumindest nimmt man zu wenig Ballaststoffe zu sich, obwohl ich jeden Morgen Obst gegessen habe. Wenn man die Welt des Schiffes, das europäischen Standard hatte, einmal ausnimmt, so haben wir doch in der kürze der Zeit einen enormen, und wichtigen Eindruck von China gewinnen können. Die von uns besichtigten historischen Stätten waren auch von der „Verkraftbarkeit“ ausreichend, d.h. noch mehr wäre ermüdend gewesen. Dabei haben wir natürlich nur das sehen können, was von der Kulturrevolution verschont geblieben ist, ich erinnere an den YUEYANG-TURM. Neben den zahlreichen über 2000 Jahre alten Bauwerken haben wir auch das sehr arme und dreckige China gesehen, wo die Leute teilweise noch heute unter schlimmen hygienischen Verhältnissen leben. Und zu Anfang mit BEIJING und zuletzt besonders mit SHANGHAI haben wir schon das zukünftige, moderne China gesehen, das seine aufkommenden Verkehrsprobleme mit dem TRANSRAPID löst. Nicht nur deswegen und nicht wegen der Dominanz deutscher Autos in Chinas Straßenbild sind wir so beliebt, bis rauf zum jetzigen Staatspräsidenten, der ein Deutschland-Fan ist. Nein, die Zuneigung zu Deutschland muss tiefer sein. Am sichtbarsten wird sie wohl, wenn man weiß, wie das Wort DEUTSCHLAND auf chinesisch heißt: Land der Tugend. Mein persönliches Resümee der Chinareise ist:  Die Chance, dass wir als Westen einmal von der chinesischen Armee angegriffen werden sollten, tendiert gegen Null. Der am Schluss meines Tagebuchs folgende Witz ist eben nur ein Witz, den ich mehr auf die Wirtschaftsmacht Chinas beziehe, und dort ist es dann kein Witz mehr. Spätestens in einer Generation werden uns die Chinesen eingeholt haben und dann Gnade uns Gott - auf dem Weltmarkt und bei der Luftverschmutzung. Vor sechs Jahren hatte quasi hier noch keiner ein Auto, heute schon jeder 10. Chinese. Ich dachte vor der Reise, ich käme in ein Entwicklungsland im Sinne Dritter Welt. Ich habe aber ein Land angetroffen, das sich von Minute zu Minute (wörtlich, denn es wird auch Nachts gebaut) rasant und dynamisch entwickelt und vom Standard her schon in Südeuropa angekommen ist. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist gewaltig. Die Gelbe Gefahr wird auf wirtschaftlichem Sektor kommen. Diese Variante der Welteroberung ist um ein Vielfaches sicherer als die militärische Eroberung. In diesem Zusammenhang wirkt ein Witz, den einer unserer chinesischen Dolmetscher erzählt hat, recht makaber: Ein KGB-Mann meldete Stalin, dass auf dem Roten Platz 1000 Soldaten seien und zu Mittag äßen. Stalin sagte, dass es ihn nicht interessiere. Nach 30 Minuten kam der Informant wieder und berichtete, dass 2000 Soldaten auf dem Roten Platz zu Mittag äßen. Stalin hatte ihn daraufhin wieder abgewiesen. Nach einer weiteren halben Stunden kam der KGB-Mann wieder und sagte: „Auf dem Roten Platz sitzen 3000 Soldaten und essen zu Mittag – mit Stäbchen!“

=========================================